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Die Argumente der Antipatentbewegung

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts war die Notwendigkeit des Patentschutzes umstritten. Z. B hatte der Bundeskanzler des Norddeutschen Bundes im Dezember 1868 den Bundesrat aufgefordert, die Frage zu entscheiden: "ob überhaupt für die Zukunft innerhalb des Bundesgebietes noch ein Patentschutz gewährt werden soll".

Ein Gutachten der Leipziger Handelskammer aus dem Jahr 1869 sah "die einzig richtige Lösung der Patentfrage in der gänzlichen Aufhebung der Patentgesetze"

Was waren nun die Argumente der Patentgegner? Die folgenden Ansichten sind aus einem 80 Seitigen Artikel(1) von Victor Böhmert aus dem Jahr 1869. Darin findet sich auch der oft zitierte Satz:
"Die Patente sind reif zum Fallen und werden mehr und mehr als eine faule Frucht am Baume der menschlichen Kultur erkannt".

"Der Patentschutz in seiner theoretischen Begründung":

Böhmert hält nichts von "der Lehre vom sogenannten geistigen Eigentum":
"Jeder Mensch hat ein natürliches Recht auf die Frucht seiner Arbeit und auf den ungestörten Genuss dieser Arbeitsfrüchte, so weit er nicht dadurch in die Rechtssphäre Anderer eingreift und die Interessen Anderer verletzt. Jeder Mensch hat ferner ein natürliches (leider noch oft künstlich geschmälertes) Recht, die Erzeugnisse seiner Arbeit im freien Verkehr zu verwerthen; aber er hat kein Recht, eine Art Monopolverkehr für seine geistigen Schöpfungen und einen ganz besonderen Schutz gegen Nachahmung seiner Produkte oder gegen Verbreitung ähnlicher Produkte zu verlangen. Das würde ein Eingriff in die "natürliche Erwerbssphäre anderer Menschen" sein, weil der Nachahmungstrieb mit uns selbst geboren wird und die Basis jedes Kulturfortschrittes ist.
Jeder in die äussere Erscheinung tretende Gedanke und Ausdruck menschlicher Geistesthätigkeit und Erfindungskraft wird kraft eines zwar ungeschriebenen aber selbstverständlichen Gesetzes ein geistiges Gemeingut der lebenden Menschheit. Der täglich vermehrte Fonds von neuen Gedanken, Kenntnissen und Erfahrungen bildet den geistigen Stoff, womit die Menschen die materielle Stoffwelt sich dienstbar machen und den Kampf um das Dasein sich gegenseitig erleichtern."

"Patente sind Hemmnisse des industriellen Fortschrittes":

Böhmert erwähnt auch eine englische Patent-Enquete von 1864. Darin finden sich einige Patent kritische Äusserungen:
..."Der Herzog von Somerset bemerkt: dass für ein Departement, wie das der Admiralität... diese zahllosen Patente eine Quelle grosser Belästigung seien, indem man mit ihnen kaum mehr fertig werden könne...
Die Belästigung bestehe in der offenbaren Leichtigkeit, Patente zu lösen, welche eine grosse Anzahl von verschiedenen Erfindungen unter einem Patent vereinigen. So habe z. B. Jemand vor einigen Jahren ein Patent für eine Combination von Holz und Eisen zum Bau von Schiffen erhalten. Nun sei es heutzutage geradezu unmöglich, ohne eine Combination von Holz und Eisen Schiffe zu bauen. Derartige Patente seien die Ursache beständiger Differenzen.

"Der Patentschutz ist unnöthig, weil praktische Erfindungen in der Regel im freien Verkehr genügend belohnt werden.":

Hamburg und Bremen hatten seinerzeit kein Patentgesetz. Böhmert sieht darin keinen Nachteil:
"Hamburg befrachtet einen grossen Theil seiner ausgehenden Schiffe mit den dort fabrizirten Industrieerzeugnissen und englische Fabrikanten heben in der Patent-Enquete ausdrücklich hervor, dass ihrer Hamburger Konkurrenten vor ihnen bevorzugt seien, weil sie keine Patente zu kaufen brauchen. Der Mangel eines Patentschutzes hat aber in Hamburg weder der Unternehmungslust, noch dem Erfindungsgeiste geschadet.
In Bremen...haben sich die Industriezweige der Zuckerfabrikation, der Reisschälmühlen, der Kistenschneiderei, der Zigarrenfabrikation, der Maschinenfabrikation, des Schiffbaues etc. von Jahr zu Jahr immer kräftiger entwickelt. In vielen Fabriken sind höchst werthvolle Erfindungen gemacht worden."

"Die praktische Durchführung des Patentschutzes wird von Jahr zu Jahr immer weniger möglich":

..."Ebenso unmöglich wie die Prüfung der Neuheit und Nützlichkeit einer Erfindung ist die Unterscheidung zwischen unerlaubter Reproduktion und erlaubter Umarbeitung einer Erfindung....Der Patentschutz erfordert Unterscheidungen, welche in heutiger Zeit praktisch unausführbar sind und deren materielle Unmöglichkeit dadurch nicht gehoben werden kann, dass die diessfallsige Aufgabe von einer Instanz auf die andere übertragen wird."

(1) Victor Böhmert, Die Erfindungspatente nach volkswirthschaftlichen Grundsätzen und industriellen Erfahrungen mit besonderer Rücksicht auf England und die Schweiz (Besonderer Abdruck aus der Vierteljahrschrift für Volkswirthschaft und Kulturgeschichte. 1869. Band I)
Böhmert hat nach eigenen Angaben die Erfindungspatente mehr als zehn Jahre, vorzugsweise in seiner früheren Stellung als Redakteur des "Bremer Handelsblattes" öffentlich bekämpft.

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Quellenangaben
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