Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation, -16. Jahrhundert- Leider lassen sich für das ausgehende Mittelalter Erfindungsprivilegien von Gewerbeprivilegien nicht immer leicht auseinanderhalten. Z. B. das Privileg für eine Papiermühle in Sachsen. Die Kunst der Papierherstellung gelang zuerst den Chinesen. 1150 kam das Wissen nach Spanien, um 1200 nach Frankreich. Im Jahr 1276 gab es in Italien die erste Papiermühle,und 1390 in Nürnberg. Das Privileg des Herzogs von Sachsen von 1398 richtet sich an jene welche kürzlich begannen, eine Papiermühle stromabwärts des Klosters von Chemnitz zu bauen...Wir haben ihnen besondere Gunst und Wohlwollen gegeben und lassen durch diese Urkunde wissen, das fortan wir nicht den Bau irgendeiner anderen Mühle, Stromauf oder Stromab, oder sonstwo in unserem Land erlauben oder zulassen wollen oder werden welche für diese Mühle schädlich sein würde oder könnte, so lange diese betreibbar ist und arbeitet. Ob es sich bei diesem Dokument nun um ein Gewerbeprivileg handelt, oder um ein Einführungsprivileg für eine Erfindung, die bis dahin in Sachsen noch nicht bekannt war, kann ich nicht sagen. Ungefähr ab dem Jahr1500 sind für das Deutsche Reich zahlreiche Erfindungsrechte nachzuweisen. So führt Pohlmann 75 Erfindungsprivilegien von 1531 bis zum Jahr1600 auf(1). Die in den Urkunden gebrauchten Bezeichnungen wechseln. "Freiheit" und "Privilegien" sind wohl am häufigsten, aber auch "Begnadung", "Gnade", "Kundschaft", "Verschreibung" kommen vor. Hauptsächlich befassten sich die Erfinder im 16. Jahrhundert mit Wasserkünsten und Holzersparungskünsten. Gemeint sind damit Entwässerungsanlagen, Pumpenkonstruktionen für Bergwerke und Brennholzeinsparung bei der Erzverhüttung, Salzsiederei, Bierbrauerei, Ziegel- und Kalkbrennerei. Es gab auch Neuerungen für Uhrwerke, Schusswaffen, Musikinstrumente, Geräte zum Säen und Pflügen. |
Diese Freiheiten sind von den
Gewerbeprivilegien zu unterscheiden, welche ein Monopol
auf ein bestimmtes Gewerbe gewährten, also keine neue
Kunst voraussetzten. Auch unterscheiden sie sich von
Einführungsprivilegien. Diesen Gruppen gemeinsam ist
aber der fehlende Rechtsanspruch darauf, ihnen allen lag
ein Gnadenakt des Landesherrn zugrunde. Auch wenn sich in
den Urkunden noch Formulierungen wie
"gnadenweis" oder "aus fürstlich
gunst" finden, wurden sie dennoch nicht willkürlich
vergeben. Es hatte sich eine Art
"gewohnheitsrechtlicher Rechtsanpruch"
entwickelt, auf den z. B. in einem Gesuch aus dem Jahr
1551 des Augsburger Erfinders eines Gussverfahrens, Andreas
Schulz hingewiesen wird: allweg im heiligen
Reich ein alt löblich Herkommen, dass die Erfinder neuer
Dinge (sonderlich die nutz- und fürträglich gewesen)
von vorigen Römischen Kaisern und Königen privilegiert
und mit Freiheiten begnadet worden seindt und (wie
billich) der ersteren Frucht irs Werkhs genossen... Die Erfinder legten Wert darauf, eine Freiheit vom Römischen Kaiser Deutscher Nation für das heilige Reich zu erhalten. Jedoch konnten sie auf einen wirksamen Schutz in den einzelnen, dem Kaiser nicht unmittelbar unterstehenden Teilen des Reichs nur rechnen, wenn sie sich eine Freiheit auch vom Landesherrn für dessen Herrschaftsbereich verschafften. Und hier nun spielte Sachsen eine besondere Rolle, vor allem das Sachsen des August Herzog zu Sachsen (1526-1586), des heiligen Römischen Reichs Erzmarschall und Kurfürst, Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meissen und Burggraf zu Magdeburg. Er erzielte grosse Erfolge bei der wirtschaftlichen Entwicklung seines Landes durch Förderung von Bergwerks- und Hüttenwesen, Landwirtschaft und Handel. Über die Gewährung von Privilegien entschied der Reichshofrat.(2). Er konnte auch Gutachten einholen, bei verschiedenen befürworteten Anträgen des sächsischen Kurfürsten an den Kaiser lagen sie bereits bei. Damit den Gesuchen
stattgegeben wurde, waren bestimmte Voraussetzungen
erforderlich, so wird z. B. auf die Neuheit der Erfindung
hingewiesen: Die Überschriften der Privilegien beginnen
mit Privileg auff eine newe erfindung..., es
finden sich Vermerke wie nie an tag kommen, oder
vor nit in prauch gewesen, wie bei
Masslitzer, 1532-Formgebung für Messerschalen-. Neben der rein
technischen Brauchbarkeit wurde auch auf einen
Allgemeinnutzen der Erfindung Wert gelegt. Im Privileg
des Gregor Giordano vom 17. August 1599 auf ein neu
erfundenes Pulver wider die Pest, (nit allein für die
Pest, sondern auch andere Erbliche Krankheiten
hailsamblich zu gebrauchen, auch derjenigen Personen,
welche beraits inficiert, sehr nützlich) lautet die
Begründung: weil Er berürtes Pulver nicht umb
seines aignen gewinns, sondern des gemainen...nutzens
willen erfunden. Bei diesen Proben
handelte es sich oft um grosse Werke, eine Sorge der
Erfinder war die Geheimhaltung. Der Kurfürst gibt denn
auch die Anweisung an die mit der Begutachtung betrauten
Beamten, die Kunst an Ihm selber verschwiegen zu
halten. Die Schutzrechte waren
meist auf 5, 10, oder 20 Jahre befristet. Es gab aber
auch Freiheiten, deren Laufzeit 3 bis 30 Jahre betrug.
Dem Erfinder der nassen Pochwerke Sigmund von Maltitz ist
1512 die Freiheit auf Lebenszeit erteilt worden. Alle
Privilegienurkunden enthalten Nachahmungsverbote. Es wird
mit Beschlagnahme und Geldstrafen gedroht. Diese betrug
durchweg 5 bis 20 Markh lötigs Gold. Bei dieser
Markh handelt es sich nicht um eine Münze, sondern um
ein im ganzen Hl. Röm. Reiches Dt. Nation festgelegtes
Münzgrundgewicht von 233, 85 g Gold (Kölner Mark). Es war aber nicht so,
dass jede Neuerung begeistert aufgenommen wurde. Die
Zünfte sperrten sich gegen die Ausbreitung neuer
Techniken. Weiter mit Preußen und das Publikandum von 1815 Zurück
zum Inhaltsverzeichnis |
(1),(3) Pohlmann, GRUR, 1960, Nr. 6, Seite 282
(2) Der Reichshofrat
war eines der beiden höchsten Gerichte im Hl. Röm. Reich.
Zuständig war er für Reichslehnssachen, Kriminal- und
Zivilsachen von Reichsunmittelbaren, Streitigkeiten über
kaiserl. Reservatrechte und Privilegien.
Aus: Brockhaus, 19. Auflage
(4) Müller, GRUR, 1939, Seite 936-953
(5) Friedrich Klemm, Geschichte der Technik, rororo Sachbuch, 1983, Seite 91, 92
(6) Johann Beckmann, Beyträge
zur Geschichte der Erfindungen, Göttingen 1780, ausführlich
zitiert in:
Technik-Geschichte, Suhrkamp-Taschenbuch, 1980 (Beckmann
nennt auch einen Anton Moller aus Danzig. Er hätte erzählt, der
Erfinder der Bandmühle sei heimlich erstickt oder ersäuft
worden, weil die Erfindung eine Menge Arbeiter zu Bettlern
gemacht hätte.
Im Handbuch der Deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte,
Band 1, Union Verlag, 1971 wird aus jenem Moller ein Anton
Möller, der nun selbst der Erfinder gewesen sein soll. Bei
Beckmann war das im Jahr 1586 oder 1579, im Handbuch wird
das Jahr 1586 angegeben. So viel zur (Un)genauigkeit von
Quellenangaben.)