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Publikandum über die Ertheilung von Patenten

Da es nöthig ist, das Publikum über die Bedingungen näher zu unterrichten, unter welchen künftig Patente, als auf einen bestimmten Zeitraum beschränkte Berechtigungen zur ausschließlichen Benutzung einer neuen, selbst erfundenen, beträchtlich verbesserten, oder vom Auslande zuerst eingeführten, und zur Anwendung gebrachten Sache, zur Ermunterung und Belohnung des Kunstfleißes, in dem gesammten Umfange der Königlichen Staaten ertheilt werden sollen: so bringe ich hierdurch mit Allerhöchster Königlicher, in der Cabinetsorder vom 27sten September d. J. ausgesprochener, Genehmigung, Folgendes über diesen Gegenstand zur allgemeinen Kenntniß.

1) Von der Fähigkeit, ein Patent in obigen verschiedenen Beziehungen zu erhalten, ist Niemand persönlich ausgeschlossen, der irgend wo im Staate Bürger, oder stimmfähiges Mitglied einer Gemeine ist.

2) Jede Sache kann der Gegenstand einer Patentirung werden, wenn sie nur neu erfunden, reell verbessert, oder, im Fall der bloßen Einführung ausländischer Erfindungen, wirklich durch den Impetranten im Lande zuerst bekannt gemacht, und zur Anwendung gebracht werden soll.

3) Wer ein Patent erhalten will, muß das desfalsige Gesuch bei der Provinzial-Regierung anbringen, diesem Gesuche eine ganz genaue Beschreibung und Darstellung der zu patentirenden Sache, durch Modelle, Zeichnungen, oder Schrift, und so weit es möglich ist, durch diese drei Mittel zugleich, beifügen, auch sich erklären: ob er das Patent für die ganze Monarchie, oder für einen bestimmten Theil derselben, und für welchen Zeitraum, zu haben wünscht.
Die Regierung veranlaßt eine Prüfung der angezeigten Erfindung oder Verbesserung durch Sachverständige, und berichtet über die Gewährung des Gesuchs an das Finanz-Ministerium, welches entweder eine neue Prüfung vornehmen läßt, oder auf den Grund der, durch die Provinzial-Regierung angestellten, Prüfung über das Gesuch, sowohl in Absicht der Patentirung im Allgemeinen, als über den Umfang und die Dauer des Patents entscheidet, und demnächst das Patent selbst ausfertigt und vollzieht, die eingereichten Modelle, Zeichnungen und Beschreibungen aber sorgfältig aufbewahren läßt.

4) Die kürzeste Zeit der Dauer eines Patents wird auf sechs Monate, die längste auf funfzehn Jahre bestimmt.

5) Jeder Patentirte muß spätestens innerhalb sechs Wochen nach Vollziehung des Patents in den Amts-und Intelligenzblättern jeder Provinz, auf welche sich das Patent erstreckt, bekannt machen: daß und worüber er ein Patent erhalten habe, und auf die niedergelegte Beschreibung verweisen. Ueberall, wo die Bekanntmachung binnen obiger Frist nicht erfolgt ist, wird das durch das Patent verliehene Recht für erloschen angenommen.

6) Der Patentirte muß von dem ihm verliehenen Rechte längstens vor Ablauf von sechs Monaten Gebrauch zu machen anfangen, widrigenfalls sein Recht ebenfalls für erloschen erachtet wird.

7) Außer den gewöhnlichen tarifmäßigen Stempel- und Sportelnkosten , soll zur Belebung des Kunstfleißes keine besondere Patentsteuer bezahlt werden; wogegen es sich von selbst versteht, daß der Patentirte die gesetzmäßige Gewerbsteuer, gleich allen übrigen Gewerbtreibenden, entrichten muß.

8) Wenn jemand vollständig zu erweisen im Stande ist, daß er die nämliche Sache, worüber ein Patent ertheilt worden, früher, oder gleichzeitig mit dem Patentirten, erfunden, oder in der nämlichen Art verbessert hat: so wird demselben das Recht, seine gleichzeitige oder frühere Erfindung oder Verbesserung zu benutzen, durch das ertheilte Patent in keiner Art beschränkt.

9) Wird von Seiten des Patentirten behauptet: daß er von Jemand in seinem Rechte beeinträchtigt worden, so muß er seine Beschwerde bei der Regierung derjenigen Provinz, in welcher der Beeinträchtiger seinen Wohnsitz hat, anbringen, und gebührt der Regierung, mit Vorbehalt des Recurses an das Finanz-Ministerium, die definitive Entscheidung über die Beschwerde, nach der unten folgenden Bestimmung.

10) Wer überführt wird, ein durch ein Patent erlangtes Recht beeinträchtigt zu haben, dem wird, unter Zulastlegung der Untersuchungskosten, die Benutzung oder Anwendung der patentirten Sache auf so lange, als das Patent besteht, untersagt, ihm auch bekannt gemacht: daß er im Wiederholungsfalle mit Konfiskation der vorgefundenen Werkzeuge, Materialien und Fabrikate bestraft werden würde, welche Strafe, wenn die Drohung fruchtlos ist, dergestalt zur Ausführung gebracht wird, daß sämmtliche konfiscirte Objekte dem Patentirten zur weiteren Benutzung übergeben werden, welchem außerdem überlassen bleibt, im Wege des Zivilprozesses, den ihm zugefügten Schaden gegen den Beeinträchtiger geltend zu machen.

Paris, den 14ten Oktober 1815.

Der Minister der Finanzen und des Handels

(gez.) v. Bülow.

 

(In der Rechtschreibung von 1822) aus: Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbefleißes in Preußen, 1822, Januar und Februar, Seite 112, 113

"Sportelnkosten", sporteln: für amtl. Dienstleistungen zu entrichtende Gebühren
"Recurs": Beschwerde, Einspruch

"Finanz-Ministerium" , weil die Gewerbe- und Handelssachen damals in einer Abteilung jenes Ministeriums bearbeitet wurden.
"Paris" wohl deshalb, weil Napoleon zwar die Armee Blüchers bei Ligny schlagen konnte, aber am 18.06.1815 bei Waterloo scheiterte.

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