Bergrecht, Monopole, Privilegien
In Irland, 35 km Nordwestlich von Dublin liegt Tara. Dort fand im Jahr 561 ein Copyright Prozess statt. Der Abt Finnbar (auch Finian geschrieben) besaß einen Psalter, eine Handschrift auf 58 Pergamentblättern von rd. 42 x 27 cm. Columcille, Prinz des Conaille-Clans, schrieb das Werk heimlich ab. Den Streit darüber, ob Columcille die Abschrift behalten dürfe, entschied König Diarmait (auch Diarmaid geschrieben): "Zu jeder Kuh ihr Kalb, zu jedem Buch sein Büchlein"(1). Was bedeutete, Columcille mußte Finnbar die Kopie aushändigen. Diese Begebenheit hat nun nicht unmittelbar mit Patentrecht zu tun, zeigt aber doch, dass man sich auch vor 1500 Jahren schon mit Fragen des geistigen Eigentums beschäftigte. Im Mittelalter verfügten Könige und Kaiser über viele Rechte, z. B. über die Ausgabe von Geld, die Nutzung von Verkehrswegen, den Holzeinschlag in Wäldern, über den Abbau von Erzen und ihre Verhüttung. In unserem Zusammenhang ist das Bergrecht wichtig. König Wenzel II. z. B. liess das Bergrecht von Iglau (tschechisch. Jihlava) um 1300 in den Constitutiones Juris Metallici Wenceslai II.(2) zusammenfassen. Es regelte, unter anderem, wer das Privileg erhielt, zu schürfen, welche Auflagen es gab, welche Abgaben zu zahlen waren. Waren mehrere Muter im Wettbewerb, so erhielt der das Abbauprivileg, der als erster gemutet hatte. (lt. Duden bedeutet muten: die Genehmigung zum Abbau beantragen). Die Hüttenöfen hatten einen grossen Bedarf an Holz, auch mussten die Bergwerke entwässert werden. Gelang es jemand, mit mechanischen Mitteln das Wasser aus dem Bergwerk zu fördern, so hatte er ein Bedürfnis nach Schutz seiner Erfindung wie auch der Erfinder eines neuen holzsparenden Ofens. Nach Öhlschlegel (2) erscheint es plausibel, dass die für die Erteilung von Bergbaufreiheiten bekannten und angewandten Regeln und Rechtsgrundsätze auf die Verleihung von Erfindungsprivilegien übertragen wurden. In seinem Buch(3)
schreibt Öhlschlegel: Hat Öhlschlegel recht, ist also
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das
Patentrecht ein Zweig des im deutschen Reiche
entstandenen Bergrechtes ? (Auch Meldau(3A)
meint, die abendländischen gewerblichen Schutzrechte
haben sich etwa seit 1200 vom körperlichen
"Fündigwerden" im Bergbau über das allgemein
geistige "Finden" bis zum technischen
"Erfinden" weitergebildet.) 1409 wurde in Venedig einem Deutschen, Enrico di Heslingen, ein Bergbauprivileg verliehen. Es ist consuetudinibus et juribus quas habent magistri et operarii huius artis et ministrij in Alemania (2) erteilt worden,woraus hervorgeht, dass die venezianischen Behörden sich auf deutsche Gepflogenheiten und Rechtsgüter berufen haben. Denn im 14. Jahrhundert erwarb Venedig Bergbaugebiete, die Tirol benachbart waren. Es lag nahe, erfahrene Bergleute aus Tirol, Salzburg, Kärnten und der Steiermark zu gewinnen, die das ihnen bekannte Recht mitbrachten, das die Venezianer klugerweise übernahmen. Für Öhlschlegel der wichtigste Hinweis, dass sich die venezianischen Behörden demnach weder auf eigene noch möglicherweise florentinische, sondern deutsche Gepflogenheiten und Rechtsgüter berufen.(3) Popplow läßt das nicht gelten: ...dies ist gerade in diesem Fall jedoch insofern wenig spektakulär, als der Privilegienempfänger selbst aus deutschen Landen kam... Dem oben erwähnten Enrico di Heslingen
wurde kein Erfindungsprivileg, sondern ein
Bergbauprivileg verliehen.
Brunelleschis Erfindung steht
offensichtlich im Zusammenhang mit den herrlichen Bauten,
die er in Florenz geschaffen hat, den Kirchen Santo
Spirito und San Lorenzo, dem in mächtigen Quadern
aufgeführten Palast Pitti und der gewaltigen Kuppel des
Doms zu Florenz. 1418 hatte man zur Vollendung der
Domkuppel einen Wettbewerb ausgeschrieben. Ihn gewann
Brunelleschi mit seinem Vorschlag, die Riesenwölbung
ohne ein eigentliches Gerüst auszuführen und zwei
Kuppeln statt einer, die äussere als Schutzkuppel der
inneren, zu wölben.
Das waren nun ein Dutzend Beispiele aus verschiedenen
Ländern über einen Zeitraum von 200 Jahren. Es handelt
sich nicht um Patente im heutigen Sinn. Es werden dem,
der eine neue Technik einführt, gewisse rechtliche
Sonderstellungen eingeräumt. Dabei musste der
Privilegienempfänger die Neuheit gar nicht selbst
erfunden haben. "Erfinder" wurde auch genannt,
wer ein neues Gewerbe im Ausland "gefunden"
hatte. |
Zurück zum
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben
Links und E-Mail
(1) Meldau, Finnbar von Moville gegen Colum von Derry wegen unerlaubter Abschrift eines Psalters, Mitteilungen der deutschen Patentanwälte, 1959, Seite 285-287 ( Über Irland allgemein: Cahill, Wie die Iren die Zivilisation retteten, Goldmann Verlag 1998)
(2),
Öhlschlegel, Zur Geschichte des gewerblichen Rechtsschutzes,
Mitteilungen der deutschen Patentanwälte, 1978, Heft 11, Seite
201-204 und
(3),
Öhlschlegel, Das Bergrecht als Ursprung des Patentrechts,
Technikgeschichte in Einzeldarstellungen, VDI-Verlag, 1978, Seite
16, 23, 126"
(3A)
Meldau, Fündig werden, finden, erfinden, Festschrift fünfzig
Jahre Deutsche Patentanwaltschaft, 1950)
(4), Popplow, Erfindungsschutz und Maschinenbücher: Etappen der Institutionalisierung technischen Wandels in der Frühen Neuzeit, Technikgeschichte, Band 63, 1996, Nr.1, Seite 21-46
(5) Prager, The Early Growth and Influence of Intellectual Property, Journal of the Patent Office Society (JPOS), 1952, February, Seite 122, 124
(6), Güttich, Die Entwicklung des gewerblichen Rechtsschutzes in Deutschland und Großbritannien nach dem Zweiten Weltkrieg, Dissertationsschrift, Freie Universität Berlin, 1995
(7) Silberstein, Erfindungsschutz und merkantilistische Gewerbeprivilegien, Dissertation, 1951, Seite 23
(8) Venetian Origins of Inventors' Rights, JPOS, Juni, 1960, Seite 378,379
(9) Mandich, Venetian Patents (1450-1550), JPOS, 1948, March, Seite 173
(10) The United Kingdom Patent System, a brief history, Neil Davenport, Hrsg. Kenneth Mason, 1979
(11), Berkenfeld, Das älteste Patentgesetz der Welt, GRUR 1949, Seite 139-142 (Beim Proveditori di Comun handelt es sich um eine im Jahr1312 entstandene Behörde, die für Straßen und andere öffentliche Plätze zu sorgen hatte. Fußnote bei Berkenfeld, Seite 140)
Text geändert: 03.01.2009