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Volksrepublik China

China produziert rund 70 Prozent der Produktfälschungen weltweit. Als Erklärung muss dann Konfuzius herhalten der meinte, die Leute sollten durch Nachahmen lernen.
Die Konfuzianische Lehre und eine Kultur, die der Landwirtschaft statt der Industrialisierung Vorrang gab werden als die Ursache für das späte Entstehen des gewerblichen Rechtsschutzes in China angesehen.
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Ab 1882 gewährte Kaiser Guangxu einen Schutz auf 10 Jahre für bestimmte industrielle Techniken wie Weberei, Papier- und Weinherstellung. Das war aber kein Patentgesetz.
80 Jahre bevor Deutschland China beim Aufbau eines Patentwesens half, kam China bereits mit dem deutschen Patentrecht in Kontakt. Im Jahr 1898 pachtete das Deutsche Reich das Gebiet Kiautschou (ca. 550 qkm, nicht mal doppelt so groß wie München) auf 99 Jahre. Der Hauptort, die Hafenstadt Tsingtau, heißt heute Qingdao und ist ein bedeutender Tiefseehafen. Gemäß Verordnung vom 01. Jan. 1901 galten deutsche Patente auch in diesem Pachtgebiet. (Für Hong Kong und Macao bestanden auch eigene Verordnungen, das Patentwesen betreffend.)

Kung Fu ist eine chinesische Kampfsporttechnik, Yan Fu ein chinesischer Autor, der von seinem Verleger, dem Shang Wu Publishing House im Jahr 1899 ein 20 Jahre gültiges "Copyright" für seine Werke erhielt. Dieses Urheberrecht gilt als das erste seiner Art in China.
Das erste Copyright Gesetz wurde 1910 gegen Ende der "Qing Dynastie" erlassen, es ist das erste chinesische Gesetz des gewerblichen Rechtsschutzes.
(1)
Dem Copyright Gesetz folgte leider kein Patentgesetz, aber die "Verordnung des Ministeriums für Ackerbau und Handel Nr. 1" vom 08. Juni 1927 ermöglichte die vorläufige Registrierung ausländischer Patente, "durch die eine Art von Priorität für den Fall des Erlasses eines Patentgesetzes begründet werden sollte".
(2) Davor war es lediglich möglich Patente bei den Seezollämtern in Shanghai und Tientsin (Tianjin) zu hinterlegen, das sollte den Nachweis eines früheren Gebrauchs erleichtern, falls ein Patentgesetz erlassen würde. ("Zwar ist die chinesische Industrie heute noch relativ geringfügig; ihr Fortschritt zur allgemeinen Industrialisierung ist jedoch nur eine Frage der Zeit" hieß es damals im Jahr 1927) (2)

Unter der Herrschaft der Kuomintang Partei wurde im Mai 1944 das erste chin. Patentgesetz erlassen. 1949 kam Mao Zedong an die Macht und eliminierte nicht nur das Patent- und Copyrightgesetz. (Die Kuomintang unter Chiang Kai-shek setzten sich nach Taiwan ab.) Nach dem Vorbild der Sowjetunion wurde 1950 ein zweigleisiges Patentsystem eingeführt. Es gab den Erfinderschein und das Patent. Der Inhaber eines Erfinderscheines hatte einen Vergütungsanspruch, der Patentinhaber konnte die Erfindung selbst verwerten oder an andere abtreten. Von 1950 bis 1957 führten 683 Anmeldungen lediglich zu sechs Erfinderscheinen und vier Patenten. 1958 wurde dieses System ganz abgeschafft.(3)
1963 wurden Verordnungen "über die Prämierung von Erfindungen" und "zur Auszeichnung von technischen Verbesserungen" eingeführt. Alle Erfindungen gehörten dem Staat, jeder Betrieb konnte sie verwenden. Mit Beginn der "Kulturrevolution" um 1966 kam das System zur Auszeichnung von Erfindern zum Erliegen, Belohnungen und materielle Anreize widersprachen dem Sozialismus.

Ab 1978 begann die Politik der Öffnung (Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit den USA 1979). Bei den Verhandlungen über das chinesisch-amerikanische Handelsabkommen von 1979 bestanden die Amerikaner auf einem wirksamen Schutz des geistigen Eigentums in China. (Wenn man damals schon gewusst hätte, dass es damit auch Anfang des 21. Jahrhunderts noch nicht zum besten steht).
1979 begann auch die Zusammenarbeit des Deutschen Patentamtes unter Präsident Dr. Häußer mit China auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes.
Seit 03. Juni 1980 ist die Volksrepublik China Mitglied bei der WIPO. Im gleichen Jahres wurde das chinesische Patentamt errichtet
13. Oktober 1982: "Rahmenabkommen über die technische Zusammenarbeit zwischen der Volksrepublik China und der Bundesrepublik Deutschland".
22. August 1983: Deutschland und China vereinbaren ein "Projekt zur Förderung des Patentwesens in der Volksrepublik China". Zwischen 1983 und 1987 wurden für den Aufbau des chinesischen Patentamtes von China über 70 Millionen DM aufgewendet, Deutschland steuerte 22,8 Millionen DM bei.
(4)
Das deutsche Patentamt entsandte im selben Zeitraum 2 Langzeitexperten und 43 Kurzzeitexperten nach Peking. Die Zusammenarbeit bestand auch in der Lieferung von Bürogeräten, einer Telefonanlage mit 1200 Anschlüssen, einer EDV-Grundausstattung und Druckmaschinen. Außerdem wurden 166 Mitarbeiter des chinesischen Patentamtes beim deutschen Patentamt aus- und fortgebildet.
Im Februar 1989 wurde dem ehemaligen Präsidenten des Chinesischen Patentamtes, Herr Huang Kunyi das Große Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Und in einer Pressemitteilung des DPMA vom 04.12.2008 war zu lesen, dass an diesem Tag der Präsident des chinesischen Patentamts, Professor Tian Lipu, die Ehrendoktorwürde der Technischen Universität München verliehen bekam.

Obwohl das Patentamt bereits 1980 gegründet wurde, ließ man sich mit dem Patentgesetz noch etwas Zeit. Es wurde vom ständigen Ausschuss des 6. Nationalen Volkskongresses am 12. März 1984 verabschiedet, das Gesetz trat am 01. April 1985 in Kraft. Bereits am Tag des Inkrafttretens wurden 3455 Anmeldungen eingereicht. Seither wurde es am 04. September 1992 und erneut am 25. August 2000 abgeändert. Es umfasst 7 Kapitel mit 69 Artikeln.
Artikel 1 lautete:
Dieses Gesetz wird erlassen, um Patentschutzrechte an Erfindungsschöpfungen zu schützen, die Erfindungsschöpfungen anzuregen, die Verbreitung und Anwendung von Erfindungsschöpfungen zu begünstigen und die Entwicklung von Wissenschaft und Technik zu fördern, um den Erfordernissen des Aufbaus der sozialistischen Modernisierung Rechnung zu tragen.
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Am 1. Oktober 2009 ist ein geändertes Patentgesetz in Kraft getreten, jetzt ohne Hinweis auf die "sozialistische Modernisierung". Der Artikel 1 lautet:
"Dieses Gesetz wird erlassen zum Schutz der Rechte von Patentinhabern, es dient dem Anreiz Erfindungen zu schaffen und der Förderung der Anwendung von Patenten, der Unterstützung von erfinderischer Tätigkeit sowie der Förderung des wissenschaftlichen Fortschritts und der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung."(6)

Das Patentamt wurde am 01. April 1998 umbenannt in "State Intellectual Property Office", SIPO, es ist heute mit 3.800 Mitarbeitern nach dem amerikanischen USPTO und dem japanischen JPO das drittgrößte nationale Patentamt. Im März 2002 wurde das von der Kreditanstalt für Wiederaufbau geförderte Projekt der Zusammenarbeit mit dem SIPO offiziell abgeschlossen.(7) Das DPMA und die chinesische Seite haben jedoch Interesse an einer weiterführenden Kooperation.

Als Counterfeiting wird das Fälschen von Produkten unter Verwendung fremder Markennahmen bezeichnet. Gefälscht wird in China alles, mit dem sich Geld verdienen lässt. Die Abkürzung PRC wurde daher von der Wirtschaftszeitung Far Eastern Economic Review, Hong Kong, schon als People's Republik of Cheats - Die Volksrepublik der Schwindler gedeutet.
Zur Bekämpfung des Counterfeiting gründete die Copyright Society of China im Jahr 2002 in Beijing ein "Anti-Piracy Committee". 3500 Fälle von Produktpiraterie kamen im Jahr 2005
vor chinesische Gerichte (8)

Die VR China ist u.a. Mitglied bei der PVÜ seit 19.03.1985; Madrider Markenabkommen seit 04.10.1989; PCT seit 01.01.1994; Budapester Vertrag seit 01.07.1995; Welthandelsorganisation WTO seit 11.12.2001.

(Hong Kong ist seit 01.07.1997 keine britische Kronkolonie mehr, hat aber ein eigenes Patentgesetz vom 27.06.1997. Es gibt 2 Arten von Patenten, das standard Patent und das short-term Patent.
Beim standard Patent, Laufzeit 20 Jahre, wird ein Chinesisches -, Europäisches - oder ein Patent aus Großbritannien auf Hong Kong erstreckt.
Beim short-term Patent, Laufzeit nur 8 Jahre, wird das Patent direkt in Hong Kong angemeldet. Es wird nur auf Formalien geprüft.
Macau ist seit 20.12.1999 als Special Administrative Region of Macau der Volksrepublik China eingegliedert. Das aktuelle Patentgesetz ist seit 06.06.2000 in Kraft. Patentdauer 20 Jahre. Seit März 2004 können auch chinesische Patente auf Macau erstreckt werden. Für Europäische Patente soll das auch gelten, das entsprechende Gesetz ist aber noch nicht in Kraft.)
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Ein interassanter Link zum Thema Bedeutung der geänderten Designvorschriften für die europäische Industrie von Dr. iur. Qian Ma, LL.M.

Interesse an Patenten zu traditioneller Chinesischer Medizin?
Die
TCM Patent Database , ein Service des SIPO, kostenlose Registrierung erforderlich, enthält über 22000 entsprechende Patente seit 1985.


(1) Berliner Zeitung, 18.01.2006, Seite 13
Deli Yang, The development of intellectual property in China, World Patent Information, 25, 2003, Seite 131 - 142, darin über Konfuzius: "He believed that people schould learn by copying and imitation"
Yan Fu eig. Yan Jidao, 1854 - 1921, Marineoffizier,Schriftsteller und Übersetzer (u.a. Wealth of Nations von Adam Smith) nutze seinen 2 jährigen Aufenthalt ab 1877 in England zum Studium des dortigen politischen Systems. Sah im englischen Rechtssystem einen Hauptgrund für Englands Macht und Wohlstand. Wollte China durch Reformen und Verwestlichung "reich und stark" machen. (siehe auch Kindlers Neues Literatur Lexikon.)
Der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst trat die VR China erst 1992 bei, das von Fu beneidete Vereinigte Königreich bereits 1887, ebenso wie Deutschland .

(2) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, GRUR, Oktober 1927, Seite 627, 628.
Siehe auch GRUR, Februar 1928, Seite 118, 119

(3) Matthias Steinmann, Grundzüge des chinesischen Patentrechts: eine Bestandsaufnahme nach fünf Jahren Patentpraxis, Carl Heymanns Verlag, 1992, ISBN 3-452-22423-6, Seite 18- 23

(4) Das Gemeinsame Projekt: "Foerderung des Patentwesens in der VR China", herausgegeben von der Projektarbeitsgruppe im Chinesischen Patentamt, College Road P.O. Box 8020, Verlag: The Patent Documentation Publishing House Beijing, Wu Kong Qiao
siehe auch:
Dr. Erich Häußer, Gewerblicher Rechtsschutz in der Volksrepublik China - berechtigte Erwartungen, Mitteilungen der deutschen Patentanwälte, Heft7/8, 1986, Seite 133 - 144

(5) Alexander von Füner, Erich Häußer (Hrsg.), Gewerbliche Schutzrechte in der Volksrepublik China, VDI-Verlag, 1987, ISBN 3-18-400772-3, Seite 94ff

(6) Patentgesetz der Volksrepublik China, Blatt für Patent-, Muster- und Zeichenwesen, 2010, Heft 6, Seite 207-213

(7) DPMA Jahresbericht 2002,
zur Zusammenarbeit mit China siehe auch alle DPMA Jahresberichte 1978 -2005

(8) Hans Joachim Fuchs, Jörg Kammerer, Xiaoli Ma, Ine Melanie Rehn, Piraten, Fälscher und Kopierer - Strategien und Instrumente zum Schutz geistigen Eigentums in der Volksrepublik China, Gabler Verlag, 2006, ISBN 3-8349-0159-8, Seite 22, 97
Potsdamer Neueste Nachrichten, 11.03.2006, Seite 23

(9) Katzarov's Manual on Industrial Property, Tenth Edition, 2005 Update, Volume II

Die Klagen über Produktpiraterie der Unternehmen, die in China fertigen lassen stehen in reizvollem Kontrast zur Zurückhaltung, wenn es um die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards geht. Ich will damit nicht die Produktfälschungen verharmlosen aber die Unternehmen erwarten ein Rechtsystem wie in USA und Europa wenn es um ihre Gewinne geht und gleichzeitig einen Standard aus dem 19. Jahrhundert was Löhne und Umweltschutzauflagen angeht. Natürlich sind von Produktfälschungen auch Firmen betroffen, welche in China gar nicht Waren produzieren. Daher nochmals ein Nein zu Produktfälschungen.

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Quellenangaben
Links und E-Mail

Text geändert: 03.10.2010