Frankreich, von der Pascaline zum Patentgesetz Auch in Frankreich spielen Privilegien eine Rolle wenn es um die Einführung neuer Handwerks Künste ging. In Lyon verlieh König Franz I. einem Italiener aus Genua namens Turquetti ein Privileg für die Einführung der Seidenfabrikation. Damit waren einige Vorrechte verbunde: Turquetti und seine Mitarbeitern wurden von der Steuerpflicht befreit, sie erhielten Kredite und durften Abgaben von anderen Seidenfabrikanten verlangen, die sich nach ihnen in Lyon niederlassen würden. Im 17. Jahrhundert war das Gewähren
von Alleinrechten völlig vom Urteil und der Willkür der
französischen Könige abhängig. Neugegründeten
königlichen Manufakturen verhalfen Monopole oft zur
Durchsetzung gegen bestehende kleinere Gewerbetreibende.
Selten gelang es einzelnen Erfindern durch Gesuch an die
Akademie der Wissenschaften oder an den König ein
Erfinderprivileg zu erhalten. Bild: Pascals Rechenmaschine, Kupferstich, 1735, (aus: Klemm, Geschichte der Technik) Andere berühmte Erfindungmonopole jener Zeit sind die Privilegien von 1657 und 1675, die der Niederländer Christiaan Huygens für Uhrwerke erhielt. Huygens war nicht nur Uhrenbauer, sondern auch Physiker -Begründung der Wellentheorie des Lichts, und Astronom -Entdecker des Saturnmondes Titan. (Mehr über seine niederländischen Patente bei Niederlande)
De Boufflers war bewusst, dass die Überlegenheit der englischen Industrie auch auf der dortigen Patentgesetzgebung beruht. Richard Arkwrigt z. B. erhielt 1769 in England ein Patent für die erste Spinnmaschine(3) mit automatischer Garnzuführung, auf der Baumwollgarn hergestellt werden konnte. Man beginnt die neuen englischen Spinnmaschinen zu verwenden, welche durch ihre (relative) Mechanisierung die reine Handarbeit veraltet machen. Die Ausländer bieten den Franzosen ihre Erfindungen an, die in England patentgeschützt sind. So dringt seit 1770 neue Technik von England nach Frankreich, welche die Herstellung von Baumwollstoffen ermöglicht. De Boufflers erwähnt auch die amerikanische Gesetzgebung:: "Es war keine leere und übertriebene Gewissenhaftigkeit, dass die stolzen und weisen Amerikaner, diese würdigen Freunde aller Freiheit, in ihrer neuen Unionsverfassung die Gesetzgebung der englischen Industrie als das sicherste Mittel anerkannt haben, um die Befreiung und das Aufblühen ihrer Industrie sicherzustellen...Alles nachzuahmen ist kindisch, alles abzulehnen wahnsinnig." Daneben kritisiert der Bericht, wie der Erfinder untertänig den Mitgliedern der Akademie der Wissenschaften seine Erfindung vorlegen muss. Er meint, dass sie oft parteiisch sind, Agenten der Staatskasse oder Zunftmitglieder, welche den Wettbewerb fürchten. Boufflers geht von der Idee aus, dass der Erfinder ein natürliches Eigentumsrecht an seiner Erfindung habe. Nach dieser Auffassung wird erwartet, dass der Staat ihm dieses Eigentum garantiert. Er will Gleichheit aller vor einem einheitlichen und nationalen Erfindergesetz. Und er will keine Belohnung für den Erfinder durch den Staat, da eine erfolgreiche Erfindung selber dem Erfinder wirtschaftliche Vorteile einbringt.
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Änderungen gab es durch die Patentgesetze vom
25. Mai 1791, 20. September 1792, durch Beschlüsse vom
17. Vendémiaire An VII, 05. Vendémiaire An IX(4), die
Dekrete vom 25. November 1806 und 25. Januar 1807. Im Jahr 1844 wurde Automobil Genie Carl Friedrich Benz geboren, das erste Telegramm wurde von Morse übermittelt (zwischen Washington D.C. und Baltimore) und Dumas veröffentlichte den Roman "Die drei Musketiere". Im gleichen Jahr, am 05. Juli 1844 wurde in Frankreich ein Patentgesetz eingeführt welches, mit kleinen Änderungen, bis 1968 gültig war, als Borman, Lovell und Anders mit Apollo 8 als erste Menschen den Mond umflogen. Der Artikel 1 des Gesetzes setzte zur
Patenterteilung die Neuheit voraus: Gesetz vom 5. Juli 1844, Erster
Titel, Allgemeine Bestimmungen, erster Artikel Die Erfindung musste also neu sein,
allerdings wurde das nicht geprüft, es galt das
"Anmeldesystem". In Artikel 11 des Gesetzes
hieß es daher im ersten Abschnitt: Geprüft wurden nur Formalien, etwa ob sich die Anmeldung nicht auf mehrere Hauptgegenstände bezog, ob sie einen die Erfindung in ihren wesentlichen Teilen kennzeichnenden Titel enthielt oder ob es sich um eine nach Artikel 3 als patentunfähig erklärte Erfindung handelte. Sehr wichtig ist auch eine Bestimmung im Artikel 33 : Daher die Bezeichnung "Brevet
s.g.d.g". Damit sollte also die
Allgemeinheit informiert werden, dass dieses Patent nicht
auf Neuheit geprüft wurde. Das Gesetz von 1968 enthält
diese Vorschrift nicht mehr. Von 1791 bis 1883 sind nach Materien geordnete, seit 1853 überdies noch in Klassen eingeteilte Kataloge vorhanden. Die Klassifizierung umfasst 20 Klassen. Diese sind in 3 bis 8 Abteilungen unterteilt. Erst durch Ministerialbeschluß vom 30.12.1899 ist die vollständige Veröffentlichung von Beschreibung und Zeichnungen der Patente verpflichtend. Dadurch wurde die Regelung des Artikels 24 des Gesetzes von 1844 beseitigt, bei der auch eine nur teilweise Veröffentlichung, die zuweilen nur in der Nennung des Titels bestand, zugelassen war.(6) Hier die Klasseneinteilung, Stand 1913, (ohne Abteilungen) |
I. Agriculture II. Alimentation III. Chemins de fer et tramways IV. Arts textiles, Utilisation des fibres et des fils V. Machines VI. Marine et Navigation VII. Construction, Travaux publics et privés VIII. Mines et Métallurgie IX. Matériel de l'economie domestique X. Transport sur routes |
XI Arquebuserie et Artillerie XII. Instruments de précision, Electricité XIII. Céramique XIV. Arts chimiques XV. Eclairage, Chauffage, Réfrigération, Ventilation XVI. Habillement XVII. Arts industriels XVIII. Articles de bureau, Enseignement, Vulgarisation XIX. Chirugie, Médicine, Hygiène, Salubrité XX. Articles de Paris et Industries diverses |
Ein
Beispiel: Uhrenpatente sind zu finden in Klasse XII und
hier wiederum in Abteilung 1, Horlogerie. (Die übrigen Abteilungen der Klasse XII waren Appareils de physique et de chimie, optique, acoustique. Poids et mesures, instruments de mathématiques, compteurs et procédés d’essai. Télégraphie, téléphonie. Production de l’électricité, moteurs électriques. Transport et mesure de l’électricité, appareils divers. Applications de l’électricité. Lampes électriques.) Hier ein PDF des Institut national de la propriété industrielle, Paris über die Klassifikation franz. Patente von 1853 bis 1904 Durch ein Dekret vom 11.08.1903
wurde vorgeschrieben, die Beschreibung mit einer
Zusammenfassung, dem Résumé, abzuschließen.
Das Résumé hatte aber rechtlich keine
Bedeutung für die Bestimmung des Schutzumfanges des
Patents. Der Recherchenbericht wurde durch ein Dekret vom
20.05.1955 eingeführt, dieser Avis
documentaire, erstellt vom internationalen
Patentinstitut in Den Haag wurde nunmehr Voraussetzung
für die Erteilung des Patents. (7) Der Gegenstand des französischen Patents 164364, vom 18. September 1884, ist weltbekannt: Es handelt sich um den Eiffelturm in Paris. Historische französische Patente gibt es beim INPI (Institut national de la propriété industrielle) http://bases-brevets19e.inpi.fr/Zurück
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(1) Der
Originaltext und die deutsche Übersetzung ist bei Öhlschlegel,
Französische gewerbliche Schutzrechte aus dem 17. Jahrhundert,
Mitteilungen der deutschen Patentanwälte, 1980, Heft 8/9, Seite
163-166 abgedruckt.
Sammler mechanischer Rechentechnik finden eine Fülle von
Patenten in: http://www.rechnerlexikon.de/artikel/Patente
(2) Neumeyer, Die historischen Grundlagen der ersten modernen Patentgesetze in den USA und in Frankreich, Auslands- und internationaler Teil von GRUR (Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht), 1956, Nr. 6, Seite 241-252
(3)Die ersten Spinnmaschinen sind die von J. HARGREAVES um 1764 erfunde Jenny-Spinnmaschine (Spinning Jenny) und die 1769 von R. ARKWRIGHT erfundene Maschine. 1779 folgte die von S. CROMPTON entwickelte Mule-Maschine (Mule Jenny). (aus: Meyers grosses Taschenlexikon, 3. Aufl.)
(4) Vendémiaire bedeutet Weinlesemonat, der erste Monat des
franz. Revolutionskalenders, auch Republikanischer Kalender
genannt. Wurde zur Zeit der franz. Revolution eingeführt.
Zählung beginnt mit An I, also Jahr 1, welches
nicht am 01. Januar sondern am 22. September 1792 begann.
Die übrigen Monate waren Brumaire (Nebelmonat), Frimaire
(Reifmonat), Nivôse (Schneemonat), Pluviôse (Regenmonat), Ventôse
(Windmonat), Germinal (Keimmonat)[und Titel
eines Romans von Zola], Floréal (Blütenmonat), Prairial (Wiesenmonat), Messidor
(Erntemonat), Thermidor (Hitzemonat) [Feinschmecker
kennen Hummer Thermidor] und Fructidor
(Fruchtmonat). Von Napoleon wurden diese Kalender Kapriolen Ende
1805, im An XIV also, wieder abgeschafft.
(5) Wortlaut und Übersetzungen aus Dr. Jur. August Erich Wiener, "Das französische Patentwesen - Ein Kommentar zum Patentgesetz v. 5. Juli 1844", J. Bensheimer, Mannheim, Leipzig, 1913
(6) Dr. Jur. August Erich Wiener, "Das französische Patentwesen - Ein Kommentar zum Patentgesetz v. 5. Juli 1844", J. Bensheimer, Mannheim, Leipzig, 1913, Seite 94-96
(7) R. Gutmann, "Das neue französische
Patentgesetz", Mitteilungen der deutschen Patentanwälte,
Heft 5, 1968, Seite 85-89 und
Hans-Friedrich Czekay, "Der Schutzbereich des Patents nach
deutschem und französischem Recht", Verlag V. Florentz
GmbH, München, 1986, Seite 150
(8) Hans-Friedrich Czekay, "Der Schutzbereich des Patents nach deutschem und französischem Recht", Verlag V. Florentz GmbH, München, 1986, Seite 151
Text geändert: 10.10.2012